Es wird Zeit ein Resümee zu ziehen

Green-Bashing und Green-WashingAbkupfern erlaubt – aber dann auch liefern!

Nach dem sich, im diesjährigen Kommunal-Wahlkampf 2021, durchweg alle Parteien einen – zum Teil – sehr grünen Anstrich geben, wird es Zeit für die GRÜNEN in Grävenwiesbach ein Resümee über die vergangene Wahllkampfperiode 2016-2021 zu ziehen. Dafür haben sich exemplarisch die GRÜNEN Grävenwiesbacher Gemeindevetreter*in Sybille Haas und Christian Tramnitz in einem Interview bereit erklärt.

Sybille Haas ist seit über 20 Jahren für die GRÜNEN in der Grävenwiesbacher Kommunalpolitik aktiv und seit 10 Jahren sie an der Spitze der GRÜNEN-Fraktion in der Gemeindevertretung und war, bis auf eine kurze Zeit der “Kleeblattkoalition“ (SPD/GRÜNE/UB/FDP) in der Opposition in der Gemeindevertretung. Christian Tramnitz ist zwar im Verhältnis dazu in Grävenwiesbacher Kommunalpolitik der Neue, aber schon mit mehr als über 10 aktiven Jahren in der Landespolitik, als Co-Kreisvorsitzender und Direktkandidat der GRÜNEN für die Bundestagswahl 2021 im Wahlkreis 176 bereits sehr fest auf der politischen Bühne. In diesem Interview ziehen die beiden Kommunalpolitiker Bilanz der abgelaufenen Wahlperiode in der Großgemeinde und stellen der amtierenden FWG-CDU-Koalition kein gutes Zeugnis aus.

Frau Haas, Herr Tramnitz, was hat sich in den letzten fünf Jahren in der Grävenwiesbacher Gemeindepolitik verändert?

Sybille Haas: Nach wenig inhaltlicher Diskussion und persönlichen Beleidigungen durch FWG und CDU zu Anfang meiner Parlamentsarbeit ging es in den letzten fünf Jahren in der Kommunikation mit der Mehrheitskoalition zivilisierter zu. Früher wurden GRÜNE-Anträge schon aus Prinzip abgelehnt und tauchten gerne, einige Zeit später, als, leicht geänderte, FWG- oder CDU-Anträge wieder auf. Zum Beispiel hatten wir bereits 2016 einen Antrag zur Radwegeplanung zwischen den Ortsteilen gestellt. Jetzt werden 2021 endlich dafür Gelder in den Haushalt eingestellt.

Wir haben als personell kleinste Fraktion im Parlament in der letzten Legislatur die meisten Anträge eingebracht. Wir waren und sind Impulsgeber und hatten lange vor dem Wassernotstand der letzten drei Jahre eine Zisternenpflicht für Neubaugebiete vorgeschlagen. Das wurde damals von der FWG-CDU-Mehrheit als unnötig abgelehnt.

Unser Antrag aus der vorletzten Wahlperiode, bei gemeindlichen Baumaßnahmen die Installation von Photovoltaikanlagen mit abzuprüfen, wurde zwar einstimmig beschlossen und aber dann leider in die Schublade gelegt. Die Umbauarbeiten der Feuerwehrgerätehäuser Grävenwiesbach und Hundstadt, das Rathaus, sowie der Kindergartenanbau und die Sanierung der Lehmkauthalle wurden ohne Umsetzung dieses einstimmigen Beschlusses realisiert.

Seit über 2 Jahren wird unser Antrag zur FSC Zertifizierung des Waldes “geprüft“. Selbst die katastrophale Situation des Waldes hat bislang jedenfalls, nicht zu einem Umdenken geführt. Und Fördergelder für den Wald werden zur Haushaltssanierung zweckentfremdet.

Christian Tramnitz: Heute sind leider die eklatanten Probleme, auf welche die GRÜNEN teilweise seit Jahren hinweisen, so offensichtlich, dass es z.B. beim Wald, endlich mal zur Einsicht bei den anderen Fraktionen kommt.

Auch ist das Parlament etwas jünger geworden. David Wade von der SPD oder auch, in der ersten Hälfte der Wahlperiode, Fabian Seel brachten neuen Schwung in die Vertretung. Der Frauenanteil im Parlament ist dank der GRÜNEN und der UB nicht mehr ganz so traurig wie noch bis 2011. Gerade bei uns GRÜNEN hat sich in den letzten Jahren aber auch einiges getan. Sowohl die Mitgliederzahl als auch die Zahl der aktiven Interessierten hat sich vervielfacht. So wurde unsere intensive, politische Arbeit und das Organisatorische auf mehr Schultern verteilt und wir können noch zielgerichteter an den besten Lösungen für Grävenwiesbach arbeiten.

Was fällt unter die Rubrik Kontinuität in der Grävenwiesbacher Kommunalpolitik?

Haas: Die Transparenz von Entscheidungen und Verwaltungshandeln hat für uns GRÜNE oberste Priorität. Wir wollten die Rechte der Bürger*innen auf Information mit dem Antrag auf Erlass einer „Informationsfreiheitssatzung“ festschreiben. Leider wurde unser Antrag mehrheitlich abgelehnt – zu unserem Bedauern auch von UB und SPD. Ebenso unser Vorschlag einer neuen Geschäftsordnung für die Ortsbeiräte, die deren Kompetenzen erweitern sollten, fand keine Mehrheit. Nach wie vor betrachtet anscheinend die Mehrheit der Gemeindevertreter und des Gemeindevorstandes es als Zumutung, den Bürger*innen Rechenschaft über ihr Verwaltungshandeln ablegen zu müssen. FWG und CDU sind es seit Jahrzehnten gewohnt, Politik ungestört im Hinterzimmer zu betreiben. Wichtige Informationen erfährt man oft nur zufällig oder zu spät.

Gerade beim Thema RMD wurden wichtige Informationen unter Verschluss gehalten, weil man anscheinend Proteste fürchtet. Wir “GRÜNE“ sind stolz darauf, vor 5 Jahren, wie auch aktuell Ende 2020 über die Erweiterungspläne der RMD informiert – und damit für Öffentlichkeit und Transparenz gesorgt – zu haben. Selbst FWG und CDU, die anfänglich keine Probleme mit den Plänen der RMD hatten, haben sich nun unserer Ablehnung angeschlossen.

Tramnitz: Unsere Wahrnehmung bei vielen Grävenwiesbacher Fraktionen ist, dass in deren Köpfen die Uhren anders ticken als im Rest des Landes. Alles was mit Fortschritt, Innovation oder einer neuem Herangehensweise an Themen zu tun hat, wird grundsätzlich erstmal abgelehnt. Das passiert teilweise wider besseren Wissens. Hier zwei Beispiele:

Ein zuverlässiges und schnelles Internet – laut Parlamentsmehrheiten eine unnütze Spielerei;

Einen systematischen Zugriff auf die Ratsinformationen und Ausbau der Digitalisierung in der Verwaltung – braucht man hier wohl nicht.

Diese Einstellung rächt sich jetzt in der Corona-Pandemie und fällt einem unübersehbar auf die Füße.

Was ist in der Legislaturperiode nicht so gut gelaufen?

Haas: Bürger*innen, die Wünsche, Anliegen und Vorschläge äußern, werden von FWG und CDU eher als Störenfriede, denn als Bereicherung betrachtet. Die Beteiligung der Bürger*innen ist nicht erwünscht. Die geplante “Kastanienallee“ am Rande des Baugebietes ist ein sehr gutes Beispiel für die mangelnde Einbeziehung der Betroffenen, sorgt für Unruhe und bezieht sogar die Berichterstattung der Presse ein. Ein weiteres Beispiel wäre: Als der Bund großzügige finanzielle Förderung zum Breitbandausbau angeboten hat, haben wir zeitnah den Gemeindevorstand zur Antragstellung aufgefordert. Dass Grävenwiesbach von dem Kuchen nichts abbekommen hat, ist für mich nicht wirklich nachvollziehbar. Denn immerhin sitzt unser Bürgermeister im Kreistag, auch mit dem Anspruch, die Interessen Grävenwiesbachs zu vertreten. Ohne zuverlässige Breitbandversorgung ist Grävenwiesbach aber für jegliche Gewerbeansiedlung unattraktiv.

Tramnitz: Dafür reicht die Zeit und der Platz nicht, um alles zu nennen, was „schief gelaufen“ ist. Aber exemplarisch wäre die neue Heizung im DGH Hundstadt zu nennen. Hier hat die Gemeinde entgegen unseren starken Protest von einer vorhandenen nachhaltigen umweltfreundlichen Holzpellet-Heizung auf eine Ölheizung umgerüstet. Das ist in der heutigen Zeit der Bevölkerung nicht mehr vermittelbar. Denn es gibt – aus gutem Grund – Förderungen und Anreize für die Reduktion von fossilen Brennstoffen. Selbstverständlich musste das Feuerwehrgerätehaus Hundstadt umgerüstet bzw. ausgebaut werden und das wurde von uns nicht in Frage gestellt. Aber die hierfür unnötige Verwendung von Mitteln aus dem kommunalen Investitionsprogramm (KIP) macht die Gemeinde für Jahre nahezu handlungsunfähig.

Beim Thema RMD hatten wir schon den Antrag auf Einsetzung eines Akteneinsichtsausschusses fertig, sowie eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Bürgermeister in der Schublade. Denn erst nach unserem dritten Antrag zu diesem Thema, kam letztendlich doch noch Bewegung in den Gemeindevorstand.

Meine ganz persönliche Enttäuschung war aber das Verhalten von FWG und UB, als es um die Herstellung von Transparenz im Rathaus ging. Während sich die UB bei der Kommunalwahl 2016 mit Forderungen nach mehr Transparenz überschlug, wie übrigens auch heute noch auf ihren Wahlplakaten, stimmten sie, als es konkret wurde, gegen die von GRÜNEN eingebrachte Informationsfreiheitssatzung für die Gemeinde. Die FWG war mit der Forderung nach Transparenz in den Bürgermeisterwahlkampf gestartet und hatte daraufhin auch von den GRÜNEN Unterstützung für den FWG Kandidaten Jan Letanoczki bekommen. Dies geschah auch mit der Zusage durch die FWG Fraktionsführung, eine kommende Informationsfreiheitssatzung zu unterstützen. Als es soweit war, wollte sich die FWG dann doch lieber nicht mehr an ihr Wort halten.

Welche wichtigen Maßnahmen haben die Grünen umgesetzt?

Haas: Im Dezember 2020 wurde unser Antrag in der Gemeindevertretung, dass Grävenwiesbach den Klima-Kommunen Hessen beitritt, mehrheitlich beschlossen. Das beinhaltet die Verpflichtung zu einem Klimaschutzkonzept der Gemeinde mit der Möglichkeit der Nutzung von Fördermitteln. Eine solche Selbstverpflichtung verhindert künftig hoffentlich, dass – wie im DGH Hundstadt geschehen – eine fossilgestützte Ölheizung, eine ökologische und nachhaltige Holzpellet-Heizung ersetzt.

Die Einbeziehung der Ortsteile Heinzenberg, Mönstadt und Naunstadt in das kreisweite Radwegekonzept gehört ebenfalls hierzu. Leider hat hier hat die CDU/SPD Koalition im Kreis völlig am Bedarf von Gemeinden mit kleineren Ortsteilen vorbei geplant.

Tramnitz: Gegen Ende der Legislaturperiode fanden wir tatsächlich Mehrheiten für wichtige Maßnahmen und deren Umsetzung. Dazu gehört, wie eben erwähnt, der Beitritt zu den „Klimakommunen“. Das ist nicht nur ein symbolischer Akt sondern mit der Verpflichtung verbunden, eine CO2-Bilanz aufzustellen, nachzuhalten und sie natürlich auch zu verbessern.

Bereits gegen Mitte der Wahlperiode erreichten wir, dass bei Neukreditaufnahmen nur noch Volltilger mit niedrigen Zinsen und kurzen Laufzeiten aufgenommen wurden. Dies ist ein sehr wichtiger Schritt zur Generationengerechtigkeit und zur Abbildung der tatsächlichen, finanziellen Lage der Gemeinde.

Ebenso konnten wir unseren GRÜNEN-Antrag, die Beitragsfreiheit der ersten sechs Ü3-Betreuungsstunden in den Grävenwiesbacher Kindertagesstätten durchsetzen, zugunsten der Grävenwiesbacher Eltern und Kinder. Mit Hilfe der von der Landesregierung angebotenen Förderung war das durch unseren Antrag zum frühestmöglichen Zeitpunkt möglich. Denn dieses Thema hatte die Grävenwiesbacher Gemeindehaushaltsdebatten in den Vorjahren sehr geprägt – und mich damals als Vorsitzenden des Gesamtelternbeirats der Grävenwiesbacher Kindergärten auch in die Kommunalpolitik getrieben. Auch künftig wird es im Ü3-Bereich keine Gebühren für diesen Zeitraum geben und auch die Module mit längeren Betreuungszeiten wurden um die Kosten für die ersten 6 Stunden entlastet.

Nicht umsetzen, aber zumindest verhindern, konnten wir, zusammen mit den vielen aufgebrachten Anwohnern in Naunstadt, die Bebauung des alten Sportplatzes. Von den vielen kreativen Vorschlägen der Anwohner zur zukünftigen Nutzung hat sich die Gemeinde leider noch nicht inspirieren lassen, aber zumindest konnte damit die Überbauung und damit einhergehende Versiegelung wichtiger innerörtlicher Grünflächen vermieden werden.

Und was ist das Fazit?

Beide: Wir brauchen eine noch stärkere Fokussierung auf Sachthemen, stärkere GRÜNE in der Gemeindevertretung und neue, moderne und zukunftsgerichtete Mehrheiten für Grävenwiesbach, um aus dem Sumpf der Vergangenheit zu entkommen.